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Camouflage – Hilfe für Hautversehrte

15 000 Menschen erleiden jährlich in Deutschland Verbrennungen, die ärztlich versorgt werden müssen. Ein Drittel sind Kinder, über die Hälfte von ihnen haben noch nicht einmal das sechste Lebensjahre vollendet. Um dem Patienten das Leben zu retten, und um die Narbenbildung und daraus resultierende Entstellungen so gering wie möglich zu halten ist eine sofortige hochqualifizierte ärztliche Versorgung Voraussetzung. Die Rückkehr in ein normales, unbeschwertes Leben ist für Menschen mit unübersehbaren Hautschäden jedoch fast unmöglich, da die gesellschaftliche Akzeptanz fehlt. Die Camouflage - gewissermaßen eine kosmetische Tarnung - bringt jedoch Hilfe für die Betroffenen. 

„Das bin ich nicht!". Gerd F. war zutiefst erschüttert, als er sich nach dem Koma erstmals im Spiegel sah. Der Mecklenburger war mit seinem Auto, nachdem plötzlich eine Rotte Wildschweine die Fahrbahn kreuzte, auf eisglatter Straße ins Schleudern geraten und gegen einen Baum geprallt. 30 Prozent seiner Haut wurden verbrannt, die Nase war nur noch zur Hälfte vorhanden. Noch in der Unfallnacht wurde der Förster ins Berliner Urban Krankenhaus geflogen. Chefarzt Dr. med. Johannes Bruck: „Wir haben zuerst sein Gesicht operiert. Die Wundflächen bedeckten wir mit Haut von seinen Beinen. Knorpel und Stützgewebe vom Ohr nutzten wir für die Wiederherstellung der Nase." Sechs Monate blieb Gerd F. in der Klinik, wo er und seine Frau zugleich psychologisch betreut wurden. Inzwischen führt der Familienvater wieder ein relativ normales Leben. Eine Perücke und die Camouflage ermöglichen ihm das. 

Inwieweit Verbrennungsopfer optisch und funktionell wiederhergestellt werden können, hängt von der Schwere der Brandverletzung, von einer schnellen Erstversorgung sowie von einer personell und gerätetechnisch optimalen Ausstattung der Notfallklinik ab. Während Verbrennungen des 1. und des oberflächlichen zweiten Grades auch ohne sofortige ärztliche Hilfe in der Regel nach zwölf bis 14 Tagen abgeheilt sind, kommt es bei tiefzweitgradigen und drittgradigen Verbrennungen auf eine personell wie technisch optimale Notfallversorgung innerhalb der ersten sechs Stunden an. Der Notfallabteilung sollte deshalb möglichst ein Plastischer Chirurg zugeteilt sein. Der Berufsverband der Plastischen Chirurgen fordert gemeinsam mit den Berufsgenossenschaften sogar den Einsatz eines Facharztes für Plastische Chirurgie als Leiter der Abteilung. Entscheiden für die Notfallbehandlung ist die Einschätzung, wie tief das Gewebe zerstört ist. Handelt es sich um eine tiefzweitgradige Verletzung, besteht die Möglichkeit, die zerstörte Epidermis durch labortechnisch aufbereitete Eihaut von frisch entbundenen Müttern zu ersetzen. Nach Aussagen von Dr. Bruck ist dieser biologische Hautersatz fast ideal. Er wirkt schmerzlindernd und ist gut verträglich, er schützt vor Verdunsten nach außen und vor Eiweißverlust von innen. Ist bereits das Korium (Lederhaut) betroffen, so wird vor der Transplantation von eigener ungeschädigter Haut des Patienten beziehungsweise gezüchteter Haut das verbrannte Gewebe mit einem elektrischen Hobel in ein Zehntel Millimeter dünnen Scheiben abgetragen. Geschieht das nicht oder nicht gründlich, dauert die Heilung äußerst lange, das Risiko der Wundinfektion ist zudem außerordentlich hoch, und es können stark juckende, wulstige starre Narben entstehen, die sich bei Kindern unter Umständen später negativ auf das Wachstum auswirken. 

Die funktionelle Wiederherstellung eines Brandopfers ist durch die Möglichkeiten der plastischen Chirurgie heutzutage relativ hoch. Ohren, Nasen und Finger können nachgeformt werden. Für den Grad der optischen Wiederherstellung ist in erster Linie die Qualität der Erstversorgung entscheidend. Bleibende, auffällige Narben lassen sich entweder später operativ weiter korrigieren (Dermabrasion). Trotzdem ist der Patient mehr oder weniger entstellt, und fühlt sich oft auf Grund der fehlenden Akzeptanz vom gesellschaftlichen Leben ausgegrenzt. Doch auch Menschen mit anderen Hautanomalien wie Vitiligo oder dem Kaposi-Sarkom sehen sich dieser grausamen Realität gegenüber. Corinna G. zum Beispiel litt seit ihrer Kindheit unter einem Feuermal auf ihrer linken Gesichtshälfte. Zahllose Bewerbungen für eine Ausbildung als Verkäuferin verliefen erfolglos. „Mit dem Gesicht wollen Sie Verkäuferin werden?" fragte sie verständnislos der Berufsberater vom Arbeitsamt. 

Den Berliner Starvisagisten René Koch, täglich konfrontiert mit den kleinen Makeln der schönsten Frauen der Welt, erschütterte das Schicksal dieser Menschen zutiefst. Mit der Camouflage hilft der erfolgreiche Kosmetologe inzwischen seit vielen Jahren das äußere Erscheinungsbild von Hautversehrten, wie er sie selbst bezeichnet, soweit zu „normalisieren", daß sie in der Öffentlichkeit nicht mehr hemmungslos angestarrt werden. Er bereitet ihnen damit gewissermaßen ein Make up für die Seele. René Koch vermittelt seine Kenntnisse heute auch an junge Kosmetikerinnen. Zu Beginn seines Kurses läßt er sie mit künstlichen Narben im Gesicht auf die Straße gehen und Erfahrungen sammeln... 

Die Camouflage ist bei den unterschiedlichsten kosmetisch beeinträchtigenden Hautveränderungen möglich: 

1. Hypopigmentierung wie bei Albinismus, Vitiligo, Psoriasis oder bei Depigmentierung;
2. örtlich begrenzte oder überall auftretende verstärkte Färbung der Haut durch Hyperpigmentierung wie bei Schwangerschaftsflecken, planen Muttermalen oder Leberflecken;
3. andere Hautveränderungen: Narben, Tätowierungen und Hauterkrankungen wie Rosazea, Kaposi-Sarkom, Besenreiser, Feuermale. 

Das Wort Camouflage kommt ursprünglich vom französischen Militär, man bezeichnete so die Tarnung von Anlagen, Waffen u.ä. Heute ist mit Camouflage das Verdecken oder Verschleiern farbabweichender Hautfehler in der Dermato-Kosmetik gemeint. Die medizinisch-dermatologische Camouflage bietet Möglichkeiten, welche weit über die alltäglich Kosmetik hinausgeht, denn die speziellen Cremes und Puder weisen besondere Qualitäten auf: Sie sind wasserfest, hitzebeständig und weitgehend abriebfest, und sie halten mindestens 24 bis 36 Stunden. Camouflageprodukte dürfen sich eben auch im Freibad oder an heißen Sommertagen auf der Haut nicht verändern. Zudem haben sie eine hohe Deckkraft und stehen in über 60 Farbnuancen zur Verfügung. 

Technik

• Unebene Hautfehler werden vor dem Camouflagieren ausgeglichen, das heißt ein Hautplastikum wird mittels Spatel über die Narben verstrichen. Auswahl der entsprechenden Farbtöne bei Tageslicht. Vorbehandlung fettiger Hautpartien mit einer Lotion. • Auftragen der Camouflage-Creme. • Schattieren mit Rouge oder einer Zweitfarbe. • Fixierpuder aufbringen, fünf Minuten einwirken lassen, dann überschüssigen Puder mit Ziegenhaarbürste entfernen. Hierfür wird ein Reinigungspräparat und Watte beziehungsweise Zellstoff verwendet. 

Wenn die Patienten von Dr. Johannes Bruck die Klinik verlassen, so haben sie bereits einen Termin für das Studio von René Koch in der Tasche. Hier erlernen sie dann die Technik der Camouflage beherrschen, fehlende Augenbrauen und Wimpern werden durch ein Permanent-Make-up ersetzt und Lippenkonturen neu geformt. Die Kosten für eine solche Behandlung sind recht teuer. Allein die Summe für das spezielle Make up beträgt je nach Größe der zu verdeckenden Hautfläche zwischen 150 und 750 Mark monatlich.

In Berlin wurde in diesem Jahr der Arbeitskreis Camouflage gegründet, um Betroffene zu unterstützen. Die Vereinsmitglieder, darunter Ärzte und Kosmetikerinnen sowie ein Rechtsanwalt, helfen bei Verhandlungen mit der Krankenkasse, u.a. was die Übernahme der Kosten betrifft. Sie beraten und informieren zugleich über neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zur Wiederherstellung und vermitteln Ansprechpartner im gesamten Bundesgebiet. 

René Koch hat in seinem Buch „Camouflage - Make up für die Seele“ (Verlag Gesundheit, 29,90 DM) sehr ausführlich und behutsam die oben beschriebene Thematik behandelt. Zugleich gibt er praktische Kosmetiktips für den Alltag einer jeden Frau, zum Beispiel wie man Augenschatten oder rote Nasen korrigiert, wie ein Tattoo entsteht, und was gegen Cellulite getan werden kann. Der Erlös des Buches kommt vollständig dem Arbeitskreis Camouflage e.V. zugute. 

Arbeitskreis Camouflage e.V.
Vorsitzender René Koch
Helmstedter Straße 16, 10717 Berlin. lifestyle.de

Copyright: Cornelia Kolbeck 1997Nachdruck nur mit Genehmigung