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Hilfe aus der DDR-Trickkiste gegen Ärztemangel
Gemeindeschwester ist wieder da

LÜBBENAU – Nach den Polikliniken erfahren nun auch die Gemeindeschwestern der DDR eine Renaissance. Drei von ihnen nahmen im Rahmen eines Modellversuches in Brandenburg ihre Arbeit auf. Sie sollen den Doktor in hausarztschwachen Gebieten entlasten.

Brandenburgs Landesgesundheitsministerin Dagmar Ziegler nennt es einen „intelligenten Lösungsansatz“, denn trotz aller Bemühungen gelingt es vor allem in den ländlichen Gegenden des Landes nach wie vor nicht, alle in Rente gehenden Allgemeinmediziner zu ersetzen. Zurzeit sind im Land rund 180 Hausarzt- und 40 Facharztsitze frei.

Schaut man genauer hin, ist von der „alten“ Gemeindeschwester außer dem Namen allerdings nicht viel geblieben. Tracht und Moped sind passé, stattdessen gehören Kleinwagen, Laptop, Videotelefonie- und telemedizinische Ausrüstung zum Arbeitsalltag. Die gravierendste Änderung ist jedoch, dass die Schwestern nicht mehr für die Kommune und relativ selbstständig, sondern ausschließlich im Auftrag des Arztes unterwegs sind. Das bedeutet, sie erledigen bei ihren Hausbesuchen ausschließlich, was der Arzt ihnen vorgibt. „Was das konkret ist, sehe ich hier auf dem Monitor“, erklärt Schwester Grit Liszkas und zeigt auf die elektronische Patientenakte vor sich im Laptop. Sie kennt sich inzwischen aus mit der Technik und weiß, wie sie eine Online-Verbindung in die Praxis aufbaut, um Rücksprache mit dem Doktor zu nehmen.

Kammerpräsident skeptisch

Brandenburgs Ärztekammerpräsident Dr. Udo Wolter ist nicht recht überzeugt, ob Gemeindeschwestern samt neuer Technik wirklich etwas Gutes bringen. Seines Erachtens bleibt nicht ausreichend Zeit für die Auswertung der Daten, da in einer Region mit Ärztemangel Mediziner schon überdurchschnittlich viel zu tun haben. Modell-Hausärztin Anne Lore Bahr allerdings sieht kein Problem, im Gegenteil. Sie freut sich über die qualifizierte Hilfe. Dass sie von nun an gegebe­nenfalls die Sprechstunde für ein Videotelefonat unterbrechen muss und mehr Patientendaten am PC bearbeitet, nimmt sie gern in Kauf: „In jedem Falle spare ich zumindest die Zeit für die Fahrt zum Patienten und zurück“, sagt sie.

Bahr ist wie fünf weitere Hausärzte und eine Kinderärztin des Medizinischen Versorgungszentrums der Spreewaldstadt Lübbenau am Ge­meindeschwester-Modell beteiligt. Finanziert wird das Ganze vom Eu­ropäischen Sozialfonds mit 300 000 Euro, weitere 30 000 Euro gibt das Land Brandenburg dazu. Die wissenschaftliche Begleitung liegt beim Institut für Community Medicine (IC) der Universität Greifswald. Drei Jahre wird die Studie laufen, dann soll feststehen, welche ärztlichen Arbeiten eine Community-Medicine-Nurse (CM-Nurse) übernehmen kann. Letztendlich soll eine Liste mit entsprechenden EBM-Nummern vorliegen, die als Grundlage für Verhandlungen mit Kassen oder KV dienen kann.

5 % sind delegierbar

Projektleiter Professor Dr. Wolfgang Hoffmann erklärt auf Grund bisheriger Erfahrungen, dass 95 Prozent der Tätigkeiten definitiv ärztlicher Natur sind. Fünf Prozent könnten eventuell auch durch den „verlängerten Arm des Arztes“ erledigt werden. „Die gesamte Symptomkontrolle, die Medikamentenkontrolle, aber auch viele Gespräche kann auch eine Schwester überneh­men“, so Prof. Hoffmann. Das bringe dem Arzt eine deutliche Zeitersparnis. Zudem fielen etwa 15 % der Wegezeiten weg. Der Wissenschaftler erklärt zudem, dass 90 % der Patienten kein Problem damit haben, wenn statt des Arztes gelegentlich die Schwester kommt – vorausgesetzt, der schnelle Kontakt zum Doktor ist bei dringenden Fragen auch weiterhin garantiert.

Arztbudget für Schwestern einsetzen

Ob tatsächlich später Gemeindeschwestern in Brandenburg oder anderswo ärztliche Lücken füllen, hängt davon ab, ob sich ihr Einsatz finanziell rechnet. Wenigstens kostendeckend soll ihre Arbeit sein, sagt Prof. Hoffmann. Entsprechende Modellrechnungen gebe es schon. So könnte beim Ausfall eines von vier Hausärzten dessen Budget für Schwestern genutzt werden. Cornelia Kolbeck

Medical Tribune · 41. Jahrgang · Nr. 31 · 4. August 2006

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