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Wo deutsche Ärzte noch begehrt sind
2500 Euro für einen Wochenenddienst

CAMBRIDGE – Dr. Winfried Brenneis arbeitete einst in einer Landarztpraxis in Süd­deutschland. Dann packte ihn das England-Virus, und er zog um auf die Insel und wurde General Practitioner. „Es war die beste Entscheidung meines Lebens“, sagt der 41-Jährige.

1997 las Dr. Brenneis in einer An­zeige, dass eine Praxis in Cambridge einen Assistenten mit Aussicht auf eine spätere Partnerschaft sucht. Er bewarb sich und flog schließlich ab und zu hinüber, um Dienst zu tun. Aus ab und zu wurden zwei Wochenenden pro Monat. Doch die Arbeit als General Practitioner (GP = Allgemeinmediziner) gefiel ihm so gut, dass er sich zum Umzug mit der gesamten Familie entschied. Er sagt: „Die Vorteile gegenüber der Arbeit in Deutschland lagen auf der Hand: besseres Gehalt, bessere Arbeitszeiten, wenig Risiko, keine Praxisinvestitionen.“

Konkret bedeutete das: Dr. Brenneis arbeitete an der englischen Ostküste in einer mittelgroßen GP-Praxis mit zwei Kollegen zusammen. Er hatte eine Vier-Tage-Arbeitswoche mit Praxiszeiten zwischen 40 bis 50 Stunden. Es gab sechs Wochen Urlaub und 110 000 Euro Gehalt jährlich. Basis für die Vergütung waren eine Kopfprämie (Capital fee), die für jeden der rund 1800 registrierten Patienten gezahlt wird, sowie zusätzliches Geld bei Einhaltung von Qualitätsstandards.

Für Hausbesuche steht ein Fahrer bereit

Inzwischen allerdings hat der Mediziner das Metier gewechselt. Er holt jetzt Ärzte aus Deutschland nach Großbritannien. Seine Firma nennt sich Medical Transfer Service, und ihre Dienste sind offensichtlich noch einträglicher als die ärztliche Arbeit selbst. Der Erfahrung von Dr. Brenneis zufolge sind bei deutschen Allgemeinmedizinern – so wie einst bei ihm anfangs auch – Wochenenddienste in medizinischen Zentren beliebt. Freie Stellen gibt es überall, von Newcastle im Norden bis Southhampton im Süden. Meist ist ein Flughafen in der Nähe, so dass die An- und Abreise relativ unproblematisch vonstatten gehen kann.

Wie der Vermittler erklärt, geht ein Notdienst in der Regel – mit Pausen – von Freitagabend bis Montag früh, so dass etwa 25 bis 30 Arbeitsstunden pro Wochenende zu­sammenkommen. Gezahlt wird zwi­schen 55 und 60 Pfund die Stunde. Möglich ist aber auch ein Dienst von Samstagmorgen bis Sonntagabend. Der Doktor nimmt Telefonate der Patienten entgegen und entscheidet dann, ob die telefonische Auskunft genügt oder ob der Patient ins „Out of Hours Center“ kommen soll. Für eventuell notwendige Hausbesuche steht ein Fahrer zur Verfügung.

Hausarzt als Lotse

Das ambulante englische Gesundheitswesen basiert auf der Arbeit der General Practitioner, die mit Praxis-Krankenschwestern, Gemeindeschwestern, Krankengymnasten, Sozialarbeitern und Hebammen eng zusammenarbeiten. Die GP sind immer erster Ansprechpartner bei Gesundheitsproblemen und zudem Gatekeeper zu den Fachärzten in der Klinik. Das Problem: In manchen Gegenden sind Hausärzte so knapp, dass sie ihre Listen schließen. Das heißt, sie nehmen keine neuen Patienten mehr auf, obwohl seit 1948 das Recht auf einen frei zu wählen­den GP gesetzlich fixiert ist. Offiziell liegt die Zahl der geschlossenen Listen bei 3 %. Aber selbst das Gesund­heitsministerium geht von einer hö­heren Quote aus. Es werden nämlich nicht selten auch ohne offizielle Listenschließung keine neuen Patienten mehr angenommen. Problematisch ist auch die Situation in den Krankenhäusern. Hier gibt es im Verhältnis zur Zahl der Patienten viel zu wenige Fachärzte („Consultants“), was Wartelisten zur Folge hat.

Die britische Regierung ist sich des Zustandes des durch Steuern finanzierten Gesundheitssystems bewusst und treibt eine grundlegende Umstrukturierung voran. Unter anderem sollen künftig auch im ambulanten Bereich angestellte Fachärzte arbeiten können, die zwar die gleichen Aufgaben wie Klinikärzte erfüllen, aber deutlich preisgünstiger sind.

Großbritannien braucht noch mehr Mediziner

In einem „White Paper“ der Regierung sind die wichtigsten Reformziele beschrieben. Gelobt werden in diesem Zusammenhang Medizinische Versorgungszentren und Polikliniken in Deutschland. Die britische Politik verfolgt neue Wege bei der Prävention und bei Patientenrechten, will eine patientenorientierte, wohnortnahe Versorgung sowie Chronikerprogramme. In den Jahren 2000 bis 2010 soll sich die Summe für das Gesundheitswe­sen verdoppeln.

In den letzten Jahren wurden bereits 79 000 Ärzte und 27 000 Schwestern neu eingestellt. Doch die Personalaufstockung und auch die neu eingerichteten Studienplätze an den Universitäten können den Bedarf an Medizinern in kurzer Zeit nicht ausgleichen, und so geht die Werbung um ausländische Kräfte im großen Stil weiter wie bisher. Cornelia Kolbeck

Medical Tribune · 41. Jahrgang · Nr. 15 · 13. April 2006

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