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Stimmungsmache wegen Verordnungsfehlern
Ärzte ärgern sich über Apotheker-Aktion

BERLIN – „Was will der Künstler uns damit sagen?“ Das fragte sich schon mancher Apotheker beim Blick auf ein Rezept. Inzwischen sind dank Informationstechnik unlesbare Handschriften der Doktoren in der Regel verschwunden. Dennoch machen Ärzte bei Verordnungen relativ viele Fehler.

Das zumindest behauptet die Bundesvereinigung deutscher Apothekerverbände (ABDA) mit Verweis auf eine Umfrage bei 1146 Apotheken. Die ABDA spricht von hochgerechnet 28 000 Arzneimittelproblemen bundesweit, mit denen die Apotheker täglich konfrontiert sind. Die Fehler betreffen in erster Linie Verordnungen von Schmerzmitteln, Herz- und Asthmapräparaten, Medikamenten gegen Diabetes mellitus sowie Psychopharmaka.

Verwechslungen und fehlende Angaben

Wie die Präsidentin der Bundesapothekerkammer, Magdalene Linz, gegenüber Journalisten erklärte, sind rund 55 % aller beobachteten Probleme auf Verschreibungsfehler zurückzuführen. Ärzte würden nicht nur Rezepte unvollständig und unleserlich ausfüllen, sondern auch Wirkstoffstärken falsch oder gar nicht angeben. Medikamente würden auf Grund von Namens-ähnlichkeiten verwechselt. Probleme gebe es mit dem Nichtbeachten von Wechselwirkungen oder der Verord­nung identischer Wirkstoffe. Weitere Probleme sind Linz zufolge auf der Patientenebene angesiedelt: ungeeignete Selbstmedikation, mangelnde Compliance, mangelndes Wissen über Einnahme oder Anwendung.

Profilierung auf Kosten der Verordner

Die Äußerungen riefen bei Ärz­teorganisationen Empörung hervor, zumal sich die Pharmazeuten dabei als „Verbraucherschützer“ darstellten. „Es ist unverantwortlich, mit derart zweifelhaften Aussagen Millionen von Patienten zu verunsichern“, kritisierte Dr. Maximilian Zöllner, Chef des NAV-Virchowbundes. Die Umfrage erwecke den Eindruck, als ob der Berufsstand des Apothekers zu Lasten der Ärzte auf­gewertet werden solle. „Die bisher gute Zusammenarbeit von Ärzten und Apothekern wird durch solche Aktionen in Frage gestellt“, meint Dr. Cornelia Goesmann. Die Vizepräsidentin der Bundesärztekammer (BÄK) spricht von „plumper Stimmungsmache“ und „Profilierungssucht eines Verbandes“. Die Fehlerquote sei in Relation zu täglich zwei Millionen Verordnungen zu sehen. So argumentiert auch KBV-Vor­stand Ulrich Weigeldt: „Die Zahl der möglicherweise falschen Rezepte ist mit einem Anteil von 0,4 % vergleichsweise gering.“

Fehlerquote noch höher?

Die Zahlen des Apothekerverbandes sind dennoch nicht unter den Tisch zu kehren. Medikationsfehler im Sinne vermeidbarer Ereignisse gibt es leider noch zu oft. Darauf hat erst kürzlich das „Aktionsbündnis Patientensicherheit“ hingewiesen, dem auch Ärzteverbände und Krankenkassen angehören. Schätzungen gehen von bis zu 20 000 Medikationsfehlern jährlich aus. 3 bis 5 % der Patienten kommen nach BÄK-Angaben wegen unerwünschter Arzneimittelwirkungen ins Krankenhaus. Der Pharmakologe Professor Dr. Gerd Glaeske vermutet, dass die von den Apothekern genannten Problemhäufigkeiten noch unter den tatsächlichen Werten liegen.

Im Sinne einer Fehlerprophylaxe fordern die Medizinerverbände von den Apothekern, bei Problemen mit Verordnungen den Dialog zu suchen. Ein Beispiel, wie die Kooperation klappen kann, ist der AOK-Hausarztvertrag von Sachsen-Anhalt, an dem 350 000 Versicherte teilnehmen. Seit 1. Juni gibt es darin ein Modul, dem sich fast alle 600 Apotheken angeschlossen haben. Kernbestandteil ist ein Verordnungskonto, das jede Hausapotheke für ihre Versicher­ten führt. „So kann der Apotheker beim Prüfen des Rezepts z.B. nicht nur Wechselwirkungen mit weiteren Medikamenten erkennen, sondern anhand der Verordnungshistorie auch eventuelle Unstimmigkeiten mit vorliegenden Krankheiten erkennen“, erklärt Uwe Deh von der AOK. Da der Name des Hausarztes bekannt sei, sei bei Problemen eine schnelle Rücksprache möglich.

Was die von den Apothekern vorgebrachten Probleme betrifft, sind Deh in Sachsen-Anhalt keine größeren Klagen bekannt. „Dennoch kann jeder Einzelfall zum Problem werden, wenn letztlich ein falsches Präparat eingenommen wird.“ Cornelia Kolbeck

41. Jahrgang · Nr. 24 · 16. Juni 2006

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